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Licht und Schatten: Albanien-Kajak-Reise Ostern 2017

Blog von: Karl Lippert

Langversion zum Beitrag in voi dabei 1/2018, S. 18-19

Karl Lippert

Licht und Schatten
Albanien-Kajak-Reise Ostern 2017


Jetzt ist sie also kaputt, meine Film-Kamera. Im Oster-Reiseverkehr zweieinhalb Stunden Wartezeit an der Grenze zwischen Slowenien und Kroatien, jeder Reisepass wird im Schneckentempo einzeln einem Scan unterzogen. Es war wohl keine sehr gute Idee, den asozialen Mitmenschen, der sich mit einer brutalen und halsbrecherischen Aktion vor uns in die wartende Autoschlange hineingedrängt hat, um ein Interview zu bitten. Das will er mir offenbar nicht geben, denn stattdessen versucht er mir die Film-Kamera aus der Hand zu reißen. Da ich nur ungern etwas hergebe, was mir gehört, endet das kleine Gerangel mit einem Totalschaden: Bildschirm-Gelenk der Kamera ausgerissen, Anschlusskabel defekt. Noch bevor die Arbeit an einem Film über unseren Oster-Albanien-Trip richtig begonnen hat, ist sie bereits vorbei! Lange Gesichter in unserem vierköpfigen Team sind ein mäßig guter Start für unser Unternehmen. Immerhin hat mich der Typ nicht verprügelt, denn mit einer gebrochenen Nase oder eingeschlagenen Zähnen wäre die Reise vorzeitig zu Ende gewesen, zumindest für mich.


Foto: Christoph Schermann

Die Paddelreise nach Albanien hat ihren Ausgang genommen im Herbst 2016. Besser gesagt die Idee dazu. Schon länger beschäftigte ich mich mit dem Gedanken, die Wildflüsse Albaniens, die es derzeit noch gibt, mit dem Kajak zu besuchen. Eine Fülle von Wasserkraft-Projekten bedroht nämlich die schönsten Flüsse dieses Landes, das gerade dabei ist, mit EU-Hilfe eine Infrastruktur für den Tourismus aufzubauen. Rasch stellte sich heraus, dass es im Grunde zwei Optionen gab, um das Land auf dem südlichen Balkan mit dem Kajak zu erkunden: Entweder eine voll durchorganisierte und von Beginn an geführte Tour mit allen Annehmlichkeiten buchen – zu einem entsprechenden Preis. Oder ein selbst organisierter Trip mit den dazugehörigen Vorbereitungsarbeiten, aufwändigen Recherchen und erwartbarem Abenteuer-Feeling im Gepäck. Herausgekommen ist dann eine Mischform: Die erste Woche - mit Tipps vom Profi - selbst organisiert, die zweite Woche mit ebendiesem Profi und Landes-Auskenner geführt.

Bereits die Anreise nach Albanien stellt sich als unerwartet mühsam heraus. Der Plan war, bereits auf der Anreise via Kroatien und Bosnien in Montenegro zwei Flüsse zu paddeln. Doch die langen Grenzwartezeiten sowie eine zermürbend lange Fahrt entlang der Küste südlich von Dubrovnik lassen diesen Plan zerplatzen wie eine Seifenblase. Unsere erste Nacht auf einem Campingplatz an der kroatischen Küste endet mit einem Knall-Effekt, gerade als wir mit dem Frühstück fertig sind. Knapp über uns befindet sich eine Straßenbaustelle, und wir denken zuallererst an eine Sprengung, als sich in Folge eines mächtigen Knalls eine Staubwolke über uns senkt. Das Rätsel löst sich wenig später: Ein geplatzter LKW-Reifen eines Baustellen-Fahrzeuges hat für das akustische Spektakel gesorgt. Als wir nach zwei Tagen im Auto knapp vor dem Dunkelwerden an der Moraca, unserem ersten Paddelziel, eintreffen, müssen wir feststellen, dass das bisschen Nass im schluchtigen Bachbett bestenfalls für eine müde Fußwäsche taugt. Also weiter am nächsten Tag zur Cijevna, dem Fluss, der in Albanien noch den Namen Cem trägt.

 
Foto: David Kostelnik

Endlich auf dem Bach. Die Freude währt nicht sehr lange, denn nach anfänglichen schönen Schwällen und Kehrwässern murmelt der Fluss nur mehr träge vor sich hin, auf zehn Kilometern schaufeln wir uns die Arme lang. Erst ganz zum Schluss lässt eine beeindruckende Niederklamm erstmals Albanien-Gefühle aufkommen. Auf einer Länge von 800 Metern gleiten unsere Kajaks durch Engstellen, die teilweise gerade mal so breit sind, dass die Boote hindurchpassen, die Paddel sind nur unnötiger Ballast. In einem knapp ein Meter breiten Felskanal kann man ohnehin nicht mehr umfallen.

Bereits an der Cijevna müssen wir mit Entsetzen etwas feststellen, was dem durchschnittlichen mitteleuropäischen Paddler völlig fremd ist. Die Müllbeseitigung in Albanien funktioniert auf sehr einfache und – vordergründig - effektive Weise: Müll an den Schluchtrand verbringen und hinunterkippen, der Fluss bzw. spätestens das nächste Hochwasser kümmern sich um den Abtransport. Blöd nur, dass die Paddler genau dort sind, wo sich diese Zeugen einer Gesellschaft befinden, die so gut wie alles in Plastiksäcken verpackt. So glasklar die Flüsse selbst sind – Erinnerungen an So?a, Salza und Co werden wach -, so unfassbar vermüllt sind die Ufer: Von Plastiksäcken - bevorzugt in den Farben blau und weiß - über Getränkeverpackungen bis hin zu diversen Textilien, die ganze Kleiderschränke füllen würden, ist alles zu finden, was ein durchschnittlicher Haushalt so benötigt, malerisch verteilt in den Gebüschen und Bäumen am Ufer. Es braucht einige Zeit, um diese Fluss-Dekoration beim Paddeln auszublenden und sich an der vielfach sehr beeindruckenden Gebirgs-Landschaft zu erfreuen.

An der Valbona haben wir das Glück, auf einen ortskundigen Paddelkollegen zu treffen. Dieser Fluss im äußersten Norden von Albanien gilt als DER Fluss, der von paddelnden Albanien-Reisenden besucht werden muss. Er windet sich durch ein imposantes Gebirgstal und ist derzeit - noch - auf einer Länge von knapp 30 Kilometern nahezu durchgehend befahrbar, sieht man von einigen unfahrbaren Einzelstellen sowie einer furchteinflößenden Klamm ab. Diese Strecke mit feinstem Wildwasser der Schwierigkeit zwei bis fünf könnte schon bald der Vergangenheit angehören, denn an einer Ausleitung der Hauptzubringer wird bereits eifrig gebaut. Unsere Zufalls-Bekanntschaft, Chris, lotst uns souverän durch einen Abschnitt der Valbona, der zweifellos das Prädikat „Paddlerisch besonders wertvoll“ verdient: Wildwasser im 4. und 5. Grad, das uns stark an die Kummerbrücken-Strecke der Enns erinnert, allerdings in vielfacher Länge. Endlich wissen wir, warum wir hier sind! Das ist der Lohn für einen weiteren Tag mühsamer Autofahrt zur Valbona. 280 Kilometer Fahrtstrecke von Shkodra ins Valbona, Zeitbedarf acht Stunden, ergibt eine durchschnittliche Geschwindigkeit von etwas mehr als 30 km/h – nicht gerade berauschend. Überrascht sind wir davon, dass das aber im Wesentlichen nicht an der Qualität der Straßen in Albanien liegt, sondern an ihrer Exponiertheit. Mit EU-Hilfe wurden in den letzten Jahren sehr viele Straßen auf mitteleuropäischen Standard angehoben. Schauergeschichten über Schotterpisten, Straßen, hauptsächlich bestehend aus Schlaglöchern und Asphalt-Fragmenten im Dutzend, stimmen nur mehr bedingt. In der Regel findet man mit einem normalen PKW das Auslangen, um das Land bereisen zu können und zu vielen Paddel-Ein- und Ausstiegen zu gelangen.


Foto: Christoph Schermann

Will man allerdings speziellere Touren unternehmen, dann sind geländegängige Fahrzeuge sowie ortskundige Fahrer und Guides ein Muss. Es braucht schon einiges an guten Nerven und fahrerischem Geschick, wenn der Land-Rover am Rand der Schlucht auf einer Straße entlangturnt, die diesen Namen nicht verdient. Üblicherweise werden - zumindest in Mitteleuropa – schlechte Wanderwege nicht befahren, sondern maximal zu Fuß erkundet. Konkret hat das für uns bedeutet, dass die Fahrt zum Einstieg am oberen Kir mit einer Strecke von zwölf Kilometern eine Fahrzeit von zweieinhalb Stunden mit sich bringt. Zu Fuß wäre man – gut trainiert – fast genauso schnell, allerdings nicht mit einem 23 Kilo schweren Boot auf der Schulter und schon gar nicht im Neopren-Anzug. Und ein Bootswagen wäre ohnehin spätestens nach einem Kilometer erledigt. Wildwasser der Marke drei bis vier in einer imposanten Schlucht im Drop-and-Pool-Charakter ist der Lohn für die wilde Schaukelei in den Fahrzeugen, die knapp vor uns auch beim Ausstieg ankommen.

Ein nächtliches Unwetter auf dem Vierstern-Campingplatz in Shkodra lässt dann nochmals so richtig Expeditions-und Abenteuergefühle aufkommen, auf die wir aber gerne verzichtet hätten. Von einem feinen Abendessen in der Provinzhauptstadt zurückgekehrt müssen wir nämlich feststellen, dass ein Orkansturm während der Zeit unserer Abwesenheit unsere Zelte weggefegt bzw. flachgelegt hat. Die Apsis meines Zeltes ist unter Wasser und damit alles, was dort gelagert war. Ich habe gerade einmal noch zwei trockene Leibchen und das, was ich auf dem Körper trage. Die Sicherung des Zeltes mit zusätzlichen Heringen in der Dunkelheit im strömenden Regen bedeutet, mit dem Hammer in den Matsch zu dreschen. Warum in diesem Falle bezüglich meines Aussehens der Vergleich mit Schweinen hätte bemüht werden können, ist mir am nächsten Morgen bei Tageslicht sehr klar. Zusätzlich sorgt dann auch noch ein Blitzeinschlag in unmittelbarer Zeltnähe für Hochspannung.

Jedenfalls bringen dieses Unwetter und der darauffolgende tagfüllende Dauerregen eine markante Änderung unserer Fahrtpläne mit sich. Den ursprünglichen Plan, im Rahmen einer zweitägigen Tour die Shala, einen der Paradeflüsse Albaniens, hoch oben in den Bergen, zu befahren, müssen wir verwerfen. Zu viel Wasser und ein Kälteeinbruch lassen diesen exponierten Trip nicht zu. Entschädigt werden wir mit einem besonderen Vergnügen: Wir dürfen dank des guten Wasserstandes einen Fluss befahren, den unser Guide Christoph erst im Vorjahr erkundet hatte. Der Gomsique ist nur zur Zeit der Schneeschmelze und nach starken Regenfällen befahrbar. Starker Regen also. So kommen wir in den Genuss von WW 3-4 fast durchgehend, auf einer Strecke von 18 Kilometern. Einsam führt die Tour durch eine teilweise offene Schlucht, manchmal treten die Felswände aber so nahe zusammen, dass sich das Nass mit herrlichen Kehrwässern, Walzen und Wellen durch die Engstellen presst. Die zahlreichen Prallwände in der Schlucht verlangen einiges an Aufmerksamkeit, will man nicht unvermittelt an einer ebensolchen versenkt werden. Ein kalter Wind, der durch die Schlucht pfeift, verhindert, dass wir Meilen surfen und ohne Ende von einem Kehrwasser ins nächste fetzen. Und so sind wir trotz des herrlichen Wildwassers einigermaßen froh, nach knapp vier Stunden Fahrzeit am Ausstieg anzukommen. Ein Fahrtabbruch wäre in dieser Schlucht zwar nach einem Viertel der Fahrtstrecke möglich, jedoch mit einer mühsamen Trage von 200 Höhenmetern verbunden.


Foto: Christoph Schermann

In Albanien konnte ich feststellen, wie es ist - nach einigen Paddelreisen, bei denen ich immer gefilmt hatte -, wieder einmal nur zu paddeln. Unbeschwert, entspannt und konzentriert. Ohne eine gute Perspektive suchen zu müssen. Ohne zehnmal so oft wie alle anderen aus dem Boot zu springen. Ohne ein schönes Motiv abzulichten, was aber seine Zeit braucht, und dann der Gruppe hinterher zu hetzen. Oder eine schwierige Stelle als Dummy zuerst zu befahren, damit man bereits frühzeitig weiß, wo die besten Überschläge, Kenterungen und missglückten Rollversuche zu erwarten sind. Und ohne am Abend noch die Daten sichern und die Akkus aufladen zu müssen, während die anderen sich schon am Lagerfeuer ihre Heldengeschichten erzählen. Ja, alles sehr fein. Nur wäre ein Film über das Albanien-Abenteuer schon schön gewesen. Dann hätte es aber wiederum diesen Erlebnis-Bericht nicht gegeben …

Daten und Fakten

Reisezeit: 9.-23. April 2017

Teilnehmer: Ben Freundorfer, David Kostelnik, Karl Lippert, Manuel Roposch; Gerald Forkert (ab 17.04. – mit dem Flieger via Tirana der Gruppe nachgereist); Christoph Scheuermann – Guide 17.-21.04.

Befahrene Flüsse bzw. Flussabschnitte:
Cijevna Mittellauf, WW 1-2+
Cem, Tamare bis Staatsgrenze, WW 1-4
Cemit, 2 km bis zur Mündung in den Cem, WW 3-4+, 4WD only
Valbona, Standardstrecke, WW 3-4
Valbona, Straßenbrücke bis Eingang Klamm, WW 4-5-
Kir, Mittellauf, Wucht-WW 3 (Hochwasser nach starken Regenfällen), 4WD only
Kir, Oberlauf, WW 3-4, 4WD only
Gomsique, Mittel- und Unterlauf, WW 3-4, Zufahrt Ausstieg 4WD dringend empfohlen



Foto: David Kostelnik